Am Freitag war es endlich so weit, ich bin tatsächlich meinen ersten Halbmarathon gelaufen. Und dies trotz großer Bedenken im Vorfeld. Bisher hatte ich immer gute Gründe gefunden, Volksläufe zu meiden. So bin ich z. B. kein Freund großer Menschenansammlungen und befürchtete außerdem, mich durch ein Pulk von Läufern kämpfen zu müssen, um mein eigenes Tempo laufen zu können.
Nicht zuletzt scheiterte ich stets auch an der Frage nach der Motivation. Welche Zielzeit sollte ich anvisieren? Ist es realistisch, seine persönlichen Rekorde bei einer solchen Laufveranstaltung zu brechen oder geht es lediglich darum, anzukommen? An welcher Stelle sollte ich versuchen zu starten? All diese Fragen kann man vermutlich erst dann vernünftig beantworten, wenn man mal an einem solchen Laufevent teilgenommen hat. Und wo ließe sich diese Erfahrung besser machen, als bei einem Event direkt vor der Haustür, auf der eigenen Stammstrecke?
Eine Teilnahme machte in meinen Augen jedoch nur dann Sinn, wenn ich auch in der Lage wäre, die Strecke in meinen Huaraches durchzustehen. Doch da ich bis vor einer Woche lediglich Läufe bis zu zehn Kilometern in den Traditional Lunas absolviert hatte, war ich mir meiner Sache nicht so sicher. Letzte Testläufe über 13 km am vergangenen Sonntag und über 14 km am Mittwoch, machten mir schließlich Mut, mich der Herausforderung Halbmarathon zu stellen.
Etwas nervös, ob der Ungewissheit, was mich wohl erwarten würde, machte ich mich auf den Weg zum Startpunkt, dem historischen Marktplatz in der Oberstadt. Und wenn man ohnehin schon dorthin unterwegs ist, um an einer Sportveranstaltung teilzunehmen, quetscht man sich auch nicht in einen engen Oberstadtaufzug, sondern nimmt stattdessen die Treppen. So kommt man schon mal auf Betriebstemperatur. Mittlerweile hatte ich mir auch ein Ziel gesetzt. Klar, Durchkommen hatte oberste Priorität, aber insgeheim peilte ich eine Zielzeit von unter 1:45 Stunden (4:57 min/km) an und schielte sogar etwas übermütig auf eine Zeit von 100 Minuten (4:43 min/km). Wohl wissend, dass das schon recht ambitioniert war, für den ersten Halbmarathon überhaupt.
Als ich ankam, war der Marktplatz bereits hoffnungslos überfüllt. Mit 2076 Teilnehmern konnte auch gleich ein neuer Rekord verbucht werden. Da ich keine große Lust darauf hatte, mich durch die Menge nach vorn zu drängeln, wartete ich geduldig, bis sich die Reihen gelichtet hatten. Etwa vier Minuten nach dem Startschuss, trat ich schließlich bei herrlichem Sonnenschein ins Rennen ein. Die ersten hundert Meter, die mich über das Kopfsteinpflaster der Barfüßerstraße (welch Ironie) führten, hatte ich noch freie Bahn, doch schon bald darauf kämpfte ich mich durch ein Pulk von Läufern. Mal rechts, mal links vorbei, mal wich ich auf den Bürgersteig aus…
Bild von Oliver Feigl aus Beitrag 16. Marburger Nachtmarathon 2013 auf www.myheimat.de
Und ehrlich gesagt war ich mir nicht so sicher, ob das eine gute Strategie war, schließlich kostet das Kreuzen und Beschleunigen definitiv mehr Kraft, als ein einheitliches Tempo. Doch ich nahm an, dass es sinnig sei, mich nach vorn zu arbeiten, ehe der Kurs die Straßen verlässt und über schmalere Radwege führt. Als ich die erste Zwischenzeit über den Kopfhörer angesagt bekam, fühlte ich mich in meinem Vorhaben bestätigt. Eine PaceDie Pace ist der wichtigste Durchschnittswert im Laufsport u... More von 4:47 min. entsprach ziemlich genau meinen Vorstellungen.
Mit den Kilometern bekam ich immer mehr Sicherheit in meinen Lauf. Mein Gefühl sagte mir, dass ich dieses Tempo bis zum Ende durchhalten können würde. Diese Einschätzung betraf jedoch lediglich meine konditionelle Verfassung. Ob meine Füße die 21 km in den HuarachesTraditionelle mexikanische Sandalen aus präkulumbischer Zei... More auch schadlos überstehen würden, darüber vermochte ich nicht zu urteilen.
Bis zum zwölften Kilometer überholte ich noch viele Läufer, ehe sich die Reihen langsam lichteten und die Läufer um mich herum längere Zeit die gleichen blieben. Bis hierhin lag meine Pace bei 4:43 min., was tatsächlich eine Zielzeit von etwa 1:40 Stunden bedeutet hätte. Kurze Zeit später, bei Kilometer 14, begann aber plötzlich mein linker Fuß zu schmerzen. „Scheiße, hoffentlich ist das nur ein bisschen Sand, der da reibt und nicht schon eine Blase, die droht aufzuplatzen…“
Dieses Gefühl kenne ich leider schon. Sobald eine Blase unterm Fuß aufplatzt, ist die Messe praktisch gelesen. Sieben Kilometer kann man damit definitiv nicht mehr durchstehen. Ich drosselte das Tempo etwas, achtete penibel darauf, die schmerzende Stelle beim Auftreten etwas zu entlasten und hoffte das Beste. Das klappte überraschend gut, bis der Kurs über einen Schotterweg und anschließend über Gras führte. Ersteres ist in diesen Huaraches – aufgrund der extrem dünnen, profillosen Sohle – nicht sehr angenehm. Noch dazu mit wunden Füßen. Da musste ich schon ein bisschen auf die Zähne beißen.
Nach diesem schweren Kilometer, trennten mich aber nur noch vier weitere Kilometer von der Ziellinie. Der Schmerz hatte sich gelegt und ich zog das Tempo wieder etwas an. Jetzt war ich mir sicher, dass ich es packen würde. Ein tolles Gefühl. Die letzten Kilometer waren zum Genießen und die letzten hundert Meter, vorbei an den jubelnden Zuschauern, hinein ins Uni-Stadion und über die Tartanbahn, waren grandios. Es fühlte sich an, als lief ich über Wolken, so schön federnd war jeder meiner Schritte. Auf der Zielgeraden, setzte ich dann zum Endspurt an und überquerte die Ziellinie bei 1:45:07 Stunden mit einem Lächeln im Gesicht.
Da ich mit etwas Verspätung ins Rennen gestartet war, ergibt sich eine Nettozeit von 1:41:02 Stunden. Aber ehrlich gesagt war und ist das nebensächlich. Es war ein wirklich tolles Erlebnis! Ich hätte nie für möglich gehalten, dass die jubelnden Zuschauer und die vielen Mitläufer so leistungsfördernd und euphorisierend wirken können. Und das Allerwichtigste ist, dass ich nahezu über die gesamte Distanz ein Lächeln auf den Lippen hatte. Ich habe jeden Schritt genossen (abgesehen von denen über Schotter natürlich) und das ist es doch, warum wir überhaupt laufen.
Nach meinem ersten Halbmarathon bin ich mir nun sicher, das wird ganz sicher nicht mein letzter gewesen sein. Ich habe Blut geleckt… Insgeheim schiele ich schon auf einen Marathon, aber es empfiehlt sich wohl, jetzt nicht gleich übermütig zu werden…
Cool!!! Glückwunsch zu dieser super zeit! ich bin vor 2 wochen auch meinen ersten Halben gelaufen! aber "nur" in 2h 4min.
Aber mir gings im Ziel wie dir: die zeit ist nebensächlich… das gefühl muss man einfach erlebt haben! ich bin auch mega angefixt und werde sicherlich dran bleiben und "weiter laufen".
macht irgendwie süchtig, nicht wahr? – ich genieße es ja schon einfach so durch wälder und wiesen zu laufen, aber in der gruppe war das noch mal was ganz anderes. es fiel mir wesentlich leichter, daher auch die recht gute zeit. hätte nicht für möglich gehalten, dass laufen ein solches soziales phänomen ist… 😉