Der Hermannslauf ist einer der wenigen Volksläufe, der schon länger auf meiner Liste stand, zumal er auch in meiner ostwestfälischen Heimat stattfindet. Außerdem reizte mich die anspruchsvolle Strecke, gut 31 Kilometer über Schotter, Sand, Waldboden, Kopfsteinpflaster und Treppen von Detmold nach Bielefeld.
Im letzten Jahr war ich aber leider etwas zu spät dran, denn der Lauf ist immer schon wenige Stunden nach Öffnung der Anmeldung komplett ausgebucht. Und die strenge Limitierung auf 7.000 Läufer und Wanderer hat durchaus ihre Berechtigung, wie ich noch am eigenen Leib erfahren sollte.
Um mir den Stress einer extrem frühen Anreise am Veranstaltungstag zu ersparen, entschloss ich mich, meine Startunterlagen bereits am Vortag abzuholen. Stressfrei lief aber auch das nicht ab. Stau vor Ort und eine verzweifelte Parkplatzsuche raubten mir bereits am Samstag den letzten Nerv. Dennoch war es unterm Strich wohl wesentlich entspannter, als am Sonntag in aller Hergottsfrühe nach Bielefeld zu fahren und sich dann dort in einen der Busse zu quetschen, die die Läufer in einer einstündigen Fahrt zum Start nach Detmold transportieren.
Die Anreise nach Detmold, inklusive Parkplatzsuche und Bustransfer zum Hermannsdenkmal liefen dagegen reibungslos ab. Aber dann kam der Start. Da es für meinen Laufkompagnon und mich die erste Teilnahme war, mussten wir aus dem letzten von drei Startblöcken starten, zusammen mit den Wanderern. Es erwartete uns der blanke Horror!
Als der Startschuss um 11:15 Uhr auch für uns ertönte, waren die ersten beiden Startgruppen bereits 15 bzw. 10 Minuten auf der Strecke. Aber selbst in unserem Startblock konnten wir uns nicht weiter nach vorne schieben, weil es einfach brechend voll war und so vergingen noch mal fast fünf Minuten, ehe das Rennen endlich auch für uns begann. Doch bereits nach wenigen hundert Metern geriet das Feld ins Stocken und alles stand erstmal wieder still. Da hatte ich meinen Kaffee schon auf.
Die einzige Möglichkeit, andere zu überholen, führte über den Wegesrand. Aber selbst das war aufgrund der Beschaffenheit des Wegesrands immer nur für wenige Meter am Stück möglich. Plötzlich staute es sich mal wieder und wir mussten abrupt abstoppen. Als ich den Grund für den Stau erblickte, hätte ich ihm am liebsten seine Wanderstöcke weggetreten. Mit Verlaub, aber ein Wanderer mit Stöcken, der sich erdreistet, sich im Startblock vor Läufern zu positionieren, ist einfach nur ein rücksichtsloses Arschloch!
Man möge es mir nachsehen, dass ich mich hier so in Rage schreibe, aber dieses rücksichtslose Verhalten einiger Leute regt mich einfach auf. Das betrifft übrigens auch die vielen, vielen anderen Läufer, die sich in ihrer jeweiligen Startgruppe ganz nach vorne drängen aber doch nur im Weg rumstehen. Jeder, der über eine solche Distanz an den Start geht, sollte doch wohl eine ungefähre Vorstellung von seinem Leistungsvermögen haben. Da sollte man erwarten dürfen, dass sich jemand, der eine PaceDie Pace ist der wichtigste Durchschnittswert im Laufsport u... More von 7 min/km läuft und/oder 130 Kilo auf die Waage bringt, nicht vorne hinstellt und den ganzen Verkehr aufhält. Das ist schließlich kein Hindernislauf.
Doch Rücksichtnahme und Benehmen sind reine Glückssache. An praktisch jeder Steigung stellten etliche Teilnehmer das Laufen komplett ein und schritten gemütlich weiter. Dass die sich dabei nicht auch noch an den Händen hielten, um eine Kette zu bilden war auch schon das höchste der Gefühle. Als ich an einer Steigung mal wieder komplett abstoppen musste und weder rechts, noch links, noch zwischendurch passte, platzte mir schließlich der Kragen. „Will hier eigentlich überhaupt noch jemand laufen?“, echauffierte ich mich. Aber glaubt bloß nicht, dass sich irgendjemand einsichtig zeigte und versuchte Platz zu machen.
Mein hoher Puls war folglich nicht allein der Anstrengung geschuldet. Daran vermochte auch die durchaus schöne Strecke nichts zu ändern. Bis ins Ziel überholte ich kontinuierlich weitere Läufer, von denen einige sogar zehn Minuten vor mir gestartet waren (der jeweilige Startblock stand auf den Startnummern). Ich überquerte die Ziellinie schließlich nach 2:59:07 Stunden (Netto: 2:40:08). Wenn man sich die fast 20 Minuten Zeitunterschied zwischen Brutto- und Nettozeit vor Augen führt, bekommt man vielleicht eine ungefähre Vorstellung davon, wie viel Zeit und Nerven mich dieser Lauf gekostet hat.
Die Strecke ist wirklich schön, sie ist abwechslungsreich und dank verschiedener Untergründe und einem Höhenanstieg von 500 Metern auch anspruchsvoll. Außerdem liegen Start- und Zielpunkt an zwei imposanten Bauwerken. Aber wenn man bei 7.000 Teilnehmern aus dem letzten Startblock starten muss, macht das Ganze einfach keinen Spaß mehr.
Die Distanz von 31,1 Kilometer ist übrigens perfekt! Der Hermannslauf endet nämlich genau dann, wenn es bei einem Marathon für gewöhnlich gerade anfängt so richtig weh zu tun. Ich erinnere mich noch recht gut daran, wie ich mich bei meinen letzten beiden Trailmarathons ins Ziel quälen musste. Beim Hermannslauf zählten die letzten drei Kilometer dagegen sogar zu meinen schnellsten im ganzen Rennen.
Vielleicht sollte ich mir also noch mal überlegen, ob ich nicht nächstes Jahr doch wieder an den Start gehen möchte, immerhin dürfte ich dann aufgrund meiner diesjährigen Zeit auch aus einem besseren Startblock ins Rennen gehen. Wer weiß, möglicherweise müsste ich mich dann weniger echauffieren und könnte den Lauf tatsächlich mal genießen.