Am frühen Samstagmorgen startete Nike einen spektakulären Versuch, den Weltrekord für den Marathon auf unter 2 Stunden zu schrauben. Zur Erinnerung, der aktuelle Weltrekord datiert vom Berlin Marathon 2014 und liegt bei 2:02:57 Stunden. Knapp drei Minuten Zeitunterschied bedeuten auf diesem Niveau über einen Kilometer Strecke!
Nikes Vorhaben ließ sich also als extrem ambitioniert, wenn nicht als wagemutig oder gar verrückt bezeichnen. Aber genauso wollte Nike sein Breaking2 Event auch verstanden wissen. Die Inszenierung hatte ein bisschen was von Red Bulls Stratosphärensprung.
Aber was soll man nun von so einem Projekt halten? Hat das wirklich noch etwas mit Sport zu tun? Ist die Jagd nach Rekorden nicht längst zu einem Wettrüsten verkommen, in dem die Sportler nur noch hochbezahlte Versuchskaninchen sind? Der Radsport gilt schon seit Jahrzehnten als größtes Dopinglabor der Welt, von den zehn schnellsten Sprintern der Geschichte ist bisher ausgerechnet der mit Abstand Schnellste als Einziger unbelastet (So sauber sind die schnellsten 100-Meter-Sprinter) und den beim Marathon dominierenden Kenianern wird schon seit Jahren systematisches Doping vorgeworfen. Erst auf Druck der WADA und unter Androhung einer Sperre für die Olympischen Spiele in Rio, wurde in Kenia im letzten Jahr ein Anti-Doping-Gesetz verabschiedet. Dessen Nutzen dürfte angesichts mangelnder Kontrollen und weitverbreiteter Korruption aber fraglich bleiben.
Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Spitzensportler sauber sind, tendiert wohl gegen Null. Und nun soll also ein von Nike gesponserter Athlet den Marathonweltrekord pulverisieren? Angeblich steckte Nike über 30 Millionen Euro in das Projekt Breaking2. Ein Scheitern der Mission hielt ich daher für undenkbar, zumal dies ein PR-Desaster bedeuten würde. Und da soll es mit rechten Dingen zugehen? Wer’s glaubt…
Dennoch stellte ich meinen Wecker auf 7 Uhr, um die letzte Viertelstunde des historischen Rekordversuchs live auf Facebook verfolgen zu können. Tatsächlich hatte der letzte der drei verbliebenen Läufer aber noch gut 40 Minuten vor sich. Nun finde ich es nicht sonderlich spannend, jemandem so lange beim Laufen zuzuschauen und von daher verspürte ich doch irgendwie so etwas wie Dankbarkeit, dass das hier kein gewöhnlicher Marathon, sondern eine Werbeveranstaltung war. Es dauerte nicht lange, bis die revolutionäre Fußbekleidung der Athleten in mehreren Einspielern beworben wurde. Die Hauptbotschaft fasste einer der Moderatoren schließlich in einem Satz zusammen, den er an seinen Kollegen richtete: „Selbst du könntest in diesen Schuhen schnell laufen.“
Am Ende musste sich der Kenianer Kipchoge dann aber doch der Uhr geschlagen geben, die bei 2:00:25 Stunden stehen blieb. Den Weltrekord hat er damit dennoch pulverisiert. Aber keine Sorge, dieser Versuch zählt natürlich nicht als offizielle Zeit, da er nicht unter Wettkampfbedingungen stattfand. Nichtsdestotrotz war das natürlich eine herausragende Leistung von Kipchoge.
Tatsächlich halte ich diesen Ausgang sogar für das bessere Ende der Geschichte. Und trotz sportlichem Misserfolg kann Nike sein Event als vollen Erfolg verbuchen. Ich persönlich finde den gescheiterten Versuch auch viel sympathischer. Es ist nämlich nicht die Regel, sondern die absolute Ausnahme, dass man ein ambitioniertes Ziel beim ersten Versuch erreicht. Scheitern gehört zum Erfolg dazu, Aufgeben dagegen nicht. Und das ist die eigentliche Botschaft. Sie ist Inspiration und Motivation, für den Sport wie für das ganze Leben.
Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn in erster Linie war der Rekordversuch natürlich eine großangelegte Marketingkampagne, in deren Mittelpunkt ein neuer Hightech-Schuh mit Carbonfaserplatte stand. Aus Marketingsicht ist Nike damit sicherlich ein Coup gelungen, mit Sport hat das allerdings nicht mehr viel zu tun. Und wenn man sich Kipchoge so anschaute, wie er nach Überqueren der Ziellinie locker lässig grinsend einem Kollegen in die Arme joggte, dann fällt es auch schwer zu glauben, dass da alles sauber ist. Und so bleibt trotz einer gelungenen Veranstaltung ein fader Beigeschmack.